Sankt Petersburg; eine Stadt wie jede Andere. 24h-Internetcafés, Sushibars an jeder zweiten Ecke, Latte Macchiato und Double Espresso. Doch fällt einem sofort auf, dass die Fassaden entlang der Hauptstrassenund die zahlreichen Monumente in tadellosem Zustand gehalten werden. So wechselt man in Sankt Petersburg mehrmals pro Tag die Strassenseite, weil gerade wieder ein Fassadenstück gekärchert, ein Brückengeländer gestrichen wird. Verlässt man jedoch diese Prunkstrassen findet man das Bild, welches man von Russland im Kopf hat. Die kleinen, rundlichen Frauen mit Kopftüchern, welche Ihren Einkäufen in den in Untergeschossen versteckten Minimärkten nachgehen. Die Vodkaleichen und solche die es werden wollen, die sich in dunklen Hofeinfahrten aufhalten. Viel davon bekamen wir jedoch nicht zu sehen, da wir uns in Sankt Petersburg praktisch nur auf den ausgetrampelten Touristenpfaden bewegten. Am letzten Tag beschlossen wir die Stadt zu Gunsten von Petrodvorets zu verlassen, um den Peterhof und den finnischen Meerbusen zu sehen. Zu diesem wollte ich schon als Kind immer hin, aus offensichtlichen Gründen.
Die Fahrt mit dem Bus dauerte etwa 40 Minuten und war eher langweilig. Der Fahrer setzte uns irgendwo ab und wir bestiegen als erstes den Kirchturm, um zu sehen in welcher Richtung sich der Palast und das Meer befinden.
Nachdem dies geklärt war, zogen wir in eben diese Richtung los und betraten den Garten zum Palast. Nachdem Zar Peter I der Grosse 1703 Sankt Petersburg gegründet hatte und dort die neue Hauptstadt anlegte, liess er sich 1709 die Sommerresidenz Peterhof bauen, die 1724 eingeweiht wurde. Den Beinamen "der Grosse" erhielt Pjotr Alexejewitsch Romanov übrigens Dank seinen grossen Taten, sowie auch seiner Körpergrösse. Gemäss Augenzeugen soll er zwischen 2.01 und 2.15 an Körpergrösse gemessen haben. Schon im 17. Jahrhundert versuchte er mit verschiedensten Reformen aus Russland einen modernen Staat zu machen. Dazu gehörten die Einführung von mitteleuropäischer Kleidung und die Bartsteuer, die auf den traditionell langen Bärten erhoben wurde. Der Julianische Kalender wurde eingeführt, obschon im restlichen Europa fast gleichzeitig der Gregorianische übernommen wurde. Ausserdem wurde ein Schriftreform durchgeführt, was mich zur Frage bringt, warum denn die Russen noch heute so gezackt schreiben. An wahrlich grossen Taten fehlte es also nicht.
Nun scheint mir dieser Peter der Grosse eine Schwäche für Gold gehabt zu haben. Schon von Weitem glänzen die Dächer der beiden Nebengebäude in der Sonne. Das Gold kommt vor dem blauen Hintergrund besonders gut zur Geltung.
Hinter dem Haus ging es im gleichen Stile weiter. Goldene Statuen überall wo man hinsah. Und lebende Wächter in Uniformen die sich hinter den perfekt zugeschnippselten Tujabäumen herum tummelten und jeden Touristen, der vom Weg abkam mit einem schrillen Pfiff aus der Trillerpfeife tadelten. Die ganze Gartenanlage ist geprägt von Wasserspeiern, einer goldenen Kaskade und von 150 Fontänen. Ein ausgeklügeltes, unterirdisches Rohrleitungssystem und die natürliche Neigung des Geländes machen es möglich, dass der Garten in ein Wasserspiel verwandelt wird. Leider werden diese Brunnen erst ab Mitte Mai in Betrieb genommen.
1725 starb Peter der Grosse an einer Blasenerkrankung und Harnverhaltung. Im entferntesten Sinne hat auch dies etwas mit der Farbe Gold gemeinsam oder zumindest einen Zusammenhang mit seinem Drang zum Erbauen all dieser Fontänen in seinem Garten. Auf jeden Fall habe ich mir immer vorgestellt, dass Peter der Grosse in einer Schlacht starb oder von einem politischen Gegner vergiftet wurde. Er konnte ganz einfach nicht mehr pissen! Von wegen der Grosse.
Zwei Tage später wurde uns unser Zimmer in Moskau gezeigt. Flo sagten ganz spontan "ahh, nice room" und ich dachte mir "Mann, diese Tapete haut mich um". Goldene Schlingpflanzen auf goldenem Hintergrund. Gold als Farbe hat sich also vom Prunk von damals zum Kitsch von heute entwickelt.
Und wieso lese ich hier nichts über das berühmte, sensationell schöne Bernsteinzimmer?! ;-)
AntwortenLöschenEs kam übrigens nach St. Petersburg, weil es dem von dir erwähnten Grossen Zaren Peter so gefiel (neben Bernstein wurde auch viel Gold verarbeitet). Seit Ende des 2. Weltkriegs ist das Original verschollen, doch eine exakte Rekonstruktion hättet ihr im Katharinenpalast besichtigen können.
E liebe Gruess, aues Guete und viu schöni Erläbnis
Andrea
Rekonstruktionen sind wie koffeinfreier Kaffee. Ist einfach nicht das Selbe.
AntwortenLöschenAls hättest du gewusst, dass es eine Rekonstruktion ist ;-) Ich erinnere mich da an ein Gespräch ... Wie auch immer, die weiss-goldenen Kirchen und Paläste vor blauem Himmel sind auch ganz nett.
AntwortenLöschenDen roten Platz in Moskau werdet ihr doch aber zumindest kurz überqueren, oder? ;-)