Beim Eingang befindet sich eine riesige Abgabestelle für Schuhe. Ich begebe mich die paar Stufen hinunter und gebe am Schalter unsere Schuhe ab. Es stinkt grässlich nach Fussschweiss und ich bedaure die Herren, die dort arbeiten. Schuhe abgeben kostet nichts. Barfuss begeben wir uns zum Haupteingangstor zum goldenen Tempel von Amritsar.
Zwei traditionell gekleidete Wächter achten darauf, dass auch wirklich alles so gemacht wird, wie es die Regeln vorschreiben. Wir beide bedecken unsere Kopfhaare und begeben uns ins Becken, um unsere Füsse zu reinigen. Die meisten Sikh trinken zusätzlich einen Schluck aus dem Fussbecken, darauf haben wir jedoch verzichtet, da wir doch gerade Kaffee getrunken hatten. Einer der Wächter fragt mich, ob wir denn unsere Schuhe auch wirklich abgegeben haben oder ob wir sie in unserer Tasche mittragen. Ich öffne meine Tasche und zeige ihm den Inhalt.
Schuhe, Zigarette und Alkohol sind im Tempelareal strikte verboten. Wir werden vor gelassen. Und da ist er, der goldenen Tempel von Amritsar. Wieder ein Traum, der wahr wird.
Der Tempel ist von Wasser umgeben und nur vom Westen her durch eine schmale Passage mit dem restlichen Tempelareal verbunden. An zwei Orten gibt es die Möglichkeit, im Wasser zu baden, was einige Sikhs auch tun.
Wir bekommen schon beim Anblick des Wassers Durchfall. Wie wir auf unserer Runde um den Tempel bemerken, sind auch andere Sachen im Areal verboten. Man darf zum Beispiel nicht die Beine zum Wasser hinunter baumeln lassen, sondern, wenn man sich schon hinsetzen will, dann im Schneidersitz.
Ebenfalls werden wir darauf hingewiesen, dass Kaugummi kauen nicht gerne gesehen ist. Und als ich in der Hocke ein paar Fotos von dem Tempel schiesse, kommt ein bärtiger Herr auf mich zu und meint: "Excuse me, Sir, I am very sorry, Sir, but would you mind to adjust your trousers, Sir. Your lower back is very exposed to all of us". Die Sikhs sind sehr höflich. Anstelle zu sagen: "Zieh deine Hosen hoch, wir sehen deinen Arsch" hat er mich sehr nett gebeten und gleich drei mal in einem Satz "Sir" genannt. Natürlich halten wir uns an all die Regeln. Der Kaugummi wird in ein Papiertaschentuch gespuckt und mein T-Shirt in die Hose gesteckt. Die Sikh-Männer sind auf den ersten Blick ein wenig Angst einflössend.
Sie sind sehr kräftig gebaut, haben diese wuscheligen Bärte und die kunstvoll umgebundenen Turbane. Ausserdem tragen sie einen Dolch oder einen Säbel mit sich herum und einen metallenen Armreif, um Angriffe abzuwehren. Säbel und Armreif werden jedoch nur zu festlichen Anlässen getragen oder eben wenn ein Heiligtum besucht wird. Eine praktizierenden Sikh ist es nicht erlaubt, seine Haare zu schneiden, daher die zum Teil unwahrscheinlichen Bärte.
Bei der Westseite angelangt, stehen wir nun in der Schlange, um ins Tempelinnere zu gelangen. Die Sonnen brennt auf unsere Köpfe. Zum Glück sind diese ja bedeckt. Ausserdem finde ich hinter einem mächtigen Turban ein wenig Schatten.
Es geht nur schleppend vorwärts. Die Leute um uns herum singen die Lieder mit, die aus den zahlreichen Lautsprechern ertönt. Wir summen. Plötzlich bewegt sich gar nichts mehr. Ein Gebet beginnt. Die Leute wiederholen einzelne Wörter, die wir nicht verstehen. Obwohl es sehr eindrücklich ist, wünsche ich mir das Gebet zu Ende. Der Schweiss läuft mir übers Gesicht und ich frage mich, ob schwitzen wohl erlaubt ist.
Im Tempelinnern sind wir dann erst mal erstaunt. Da sitzen mehrere Männer und musizieren und singen. Wir sind davon ausgegangen, dass diese Musik ab Band gespielt wird. Zwei Trommler, ein Flötist, einer an einem mir nicht bekannten Blasinstrument, ein Streicher und ein Keyboarder. Auch im Innern ist der Tempel komplett aus Gold, Omega-Uhren wurden in alle Seitenwände eingelassen.
Abends gehe ich noch einmal zurück zum Tempel. Ich will mir den Tempel bei Nacht ansehen. Schuhe abgeben, Kopf bedecken, Füsse waschen und drinnen bin ich. Diesmal hat es viel weniger Leute. Es scheinen nur noch die wirklich praktizierenden Sikhs da zu sein. Keine indische Touristen mehr und schon gar keine Westlichen.
Ohne anzustehen begebe ich mich noch einmal ins Tempelinnere, wo ich mich im Obergeschoss eine halbe Stunde im Schneidersitz hinsetze und der schönen Musik lausche. Die Sikhs lesen die Texte aus kleinen Büchlein ab und singen und beten mit. Eine wunderschöne Stimmung.